Unfall auf dem Hengstmarkt
Wie die “Trakehner Familie” hilft

Unfall auf dem Hengstmarkt
Wie die “Trakehner Familie” hilft

Christiane Petersen und ihre Pferde:Ein Bild aus besseren Zeiten. Foto Jessica BunjesChristiane Petersen und ihre Pferde:Ein Bild aus besseren Zeiten. Foto Jessica Bunjes

Unfall auf dem Hengstmarkt
Wie die “Trakehner Familie” hilft

Von Jessica Bunjes

Der Knall, als der Hengst auf das Tor und das Tor auf die Frau krachte, erschütterte vor sechs Wochen die Holstenhalle von Neumünster. Stundenlang pausierte der Trakehner Hengstmarkt, wieherte kaum mehr ein Pferd, als Ärzte Hilfe leisteten, bis die Show schließlich weiterging. Das Leben der Christiane Petersen (Honigsee) steht seither immer noch still: Kopfverletzungen, Koma, der lange Weg der Gesundung. Die „Trakehner Familie“ begleitet diesen Weg mit einer Welle der Solidarität – vom Norden bis in den Süden der Republik und wieder zurück.

Eine Welle der Solidarität

„Wir alle haben den schrecklichen Unfall aus unterschiedlichen Blickwinkeln gesehen. Eine Katastrophe“, zeigt sich Inge Weißkirchen fassungslos. Die Trakehner Züchterin vom Gestüt Isselhook aus Nordrhein-Westfalen ist seit 30 Jahren Gast auf dem „Fest der Trakehner Familie“, hat spontan ihre erste Spendenaktion auf Facebook initiiert: 7500 Euro sind von 130 Spendern zusammengekommen.

„Da funktioniert die Familie noch“, zeigt sich die Züchterin des Bundeschampions der Vielseitigkeitspferde so überrascht, wie stolz und bewegt. „Es war uns eine Herzensangelegenheit, zu helfen. Wir haben selbst 25 Pferde auf dem Hof, wenn da einer ausfallen würde – undenkbar.“

Was war passiert?

Im Zuge der Körung war ein junger Hengst unerwartet aus der Bahn abgedreht, um die hölzerne Bande am Eintritt zu überwinden. Das Pferd scheiterte an dem mannshohen Hindernis, brach mitsamt der Tür in den Gang dahinter. „Da stand ich als zuständige Helferin, bekam die Tür an den Kopf – weiß danach nichts mehr.  Filmriss. Zum Glück“, berichtet Christiane Petersen, deren Jochbein sofort splitterte.

Binnen Sekunden war die Szene abgesperrt, retteten Sanitäter  womöglich das Leben der bewusstlosen Pferde-Expertin, die per Hubschrauber in die Klinik transportiert wurde. „Vier Tage lag ich im Koma, hätte tot sein können“, erzählt die 55-Jährige erschrocken. Diverse Frakturen im Gesicht, riss des Trommelfells, Verletzungen am ganzen Körper zählen zu den Folgen, die sie nahezu manövrierunfähig machen. „Ich kann nichts selbst. Daran, meine Tiere zu versorgen, ist nicht zu denken.“

Noch einen so schweren Unfall erlitten

27 Jahre lang hat Christiane Petersen den Eintritt des internationalen Springturniers Baltic Horse Show in Kiel ehrenamtlich gemanagt. Vier Jahre lang den des Trakehner Hengstmarkts in Neumünster. Besitzt seit zehn Jahren einen Trakehner Wallach, Polarhall, einen eigenen kleinen Stall. Ist eine rundum erfahrene „Pferde-Kennerin“. „Einen derart schweren Unfall hatte ich noch nie“, sagt die Frau, die „völlig überrascht von der Hilfsbereitschaft“ ist, die sie derzeit erlebt:

Ihre beiden Pferde – „Polle“ und eine alte Zuchtstute – haben die (Trakehner-)Bereiter Sven Schäfer und Joachim Fuchs zu sich nach Borghorst geholt, noch während Christiane Petersen im Koma lag. „Meine Katzen versorgt die Nachbarin, denn ich kann noch lange nicht nach Hause.“ Ihre Ziegen und Hühner betreuen zwei Frauen aus Rethwisch.

Die Landesvorsitzende des Trakehner Zuchtbezirks SH/HH, Antonia Döllner (Nübbel), und die Trakehner Züchterin Annette Kleinfeld (Selent) haben sich um Bürokratisches gekümmert. „Es tut uns allen wahnsinnig leid“, sagt Lars Gehrmann (Brodersdorf), Geschäftsführer des Trakehner Verbandes, der sich regelmäßig persönlich bei Christiane Petersen meldet. „Wir versuchen, sie zu begleiten,  ihr Sorgen zu nehmen, wo wir können. Es ist ein tragischer Unfall – und die Welle der Solidarität ist gewaltig.“

Ein Zeichen mit Symbolkraft

Abgesehen von der menschlichen, gibt es eine (versicherungs-)rechtliche Komponente, die Sache der Berufsgenossenschaft ist –  Schmerzensgeld, Folgekosten. „Wir haben geholfen, einen Anwalt zu finden, der sich um alles kümmert“, sagt Gehrmann. Christiane Petersen: „Ich bin unfassbar dankbar.  Sehe das viele Gute im Schlechten. Mir helfen Menschen, die ich noch nie im Leben gesehen habe. Es macht mich glücklich.“ Gehrmann: „Es ist ein gutes Zeichen – es hat Symbolkraft.“  Das Symbol der Trakehner: Familie im Zeichen der Elchschaufel.

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